Sportdiagnostik-Lexikon

Be­grif­fe aus der Leis­tungs­dia­gnos­tik und Trai­nings­steue­rung

Wenn man sich mit Sportdiagnostik, Trainingssteuerung und Leistungsdiagnostik beschäftigt, stößt man auf viele sportmedizinische Fachwörter, die an dieser Stelle auch für den interessierten Freizeitsportler erklärt werden.

aerobe Leistung
Diejenige Leistung, bei der die über die Atmung aufgenommene Sauerstoffaufnahme ausreicht, um die benötigte Energie im Arbeitsmuskel zu decken.
aerob-anaerobe Schwelle (anaerobe Schwelle)
Die bei einer Dauerbelastung im Blut feststellbare Laktatkonzentration von 4 mmol/l wurde als Schwelle eines physiologischen Parameters bezeichnet. Bei dieser Belastungsintensität stellt sich gerade noch ein Steady-State (eingeschwungener Zustand) verschiedener Parameter ein: z.B. Blutlaktatkonzentration, Herzfrequenz, Sauerstoffaufnahme, Ventilation, Atemfrequenz, etc.). Jede höhere Belastung führt zu einem kontinuierlichen Anstieg des Schwellenparameters (Heck, 1990).
Gründer der aerob-anaeroben Schwelle: Prof. Alois Mader, 1976 Köln.
Allgemeine Ausdauer, Grundlagenausdauer 1 (GA1)
Dauerleistungsmethoden, die in rein aerober Stoffwechsellage vom Sportler durchgeführt werden. Das Spektrum reicht vom regenerativen, extensiven, intensiven Dauerlauf, Intervalldauerlauf bis hin zum Tempodauerlauf. In dieser Folge nimmt der Kohlenhydratanteil an der Energiebereitstellung systematisch zu.
Allgemeine Ausdauer, Grundlagenausdauer 2 (GA2)
Dauerleistungsmethoden, Intervallmethoden, Tempoläufe mit höherer Geschwindigkeit als beim GA1-Training, die sowohl in aerob-anaerober als auch in leicht anaerober Stoffwechsellage > 4 mmol/l Laktat durchgeführt werden. Das GA2-Training dient der Entwicklung der wettkampfspezifischen Ausdauer auf energetischer und neuromuskulärer Ebene.
Ausdauerleistungsfähigkeit
Die Fähigkeit, eine gegebene Leistung über einen möglichst langen Zeitraum durchzuhalten (Ermüdungswiderstandsfähigkeit).
Cardiotraining (= Fettstoffwechseltraining)
Training großer Muskelgruppen von >1/6 bis 1/7 der Gesamtmuskulatur, z.B.: Laufen, Schwimmen, Radfahren, Rudern, Skilanglauf, Inline, etc. Bei solchem regelmäßig und über einen längeren Zeitraum durchgeführten Training unter überwiegender Energiebereitstellung durch die Fette kommt es erwiesenermaßen zu den gesundheitlich wertvollen Anpassungserscheinungen am Herz-Kreislaufsystem, am Skelettmuskel, am Immun- und vegetativen Nervensystem.
Energiebereitstellung
Je nach Belastungsdauer und -intensität (Sekunden bis Stunden) erfolgen 3 Resynthesewege des Adenosintriphosphats (ATP) mit unterschiedlichem Anteil:
  1. anaerob alaktazid (über Kreatinphosphat)
  2. anaerob laktazid (über die Glukose)
  3. aerob (über den Zitratzyklus und die Atmungskette)
Fettstoffwechseltraining
Milde Trainingsbelastungen, die bei niedrigen Blutlaktatkonzentrationen und > 40 % der maximalen Sauerstoffaufnahme 50% der benötigten Energie über die Verwertung der freien Fettsäuren aktivieren. Dieses Ausdauertraining kann kontinuierlich oder in aufgeteilten Zeitintervallen durchgeführt werden. Der Fettstoffwechsel ist von Anbeginn einer milden Ausdauerbelastung beteiligt.
Fettstoffwechselgrenze
Siehe aerob-anaerobe Schwelle.
Feldlaufdiagnostik, aerobe (Gründer: Dr. Reiner Föhrenbach, 1978 Köln)
Diagnostik der Lauf-Ausdauerleistung unter sportartspezifischen Bedingungen (Wald, Laufbahn), wie sie auch im Training und Wettkampf vorliegen.
Nur bei den unter Feldbedingungen erzielten Untersuchungsergebnissen kann aufgrund der natürlichen biomechanischen Bedingungen mit ihrem Einfluss auf den Energiebedarf (z.B. Windwiderstand beim Laufen, Untergrund) bzw. auf das Laktat- und Herzfrequenzverhalten eine genaue, d.h. stoffwechseloptimierte Trainingssteuerung vorgenommen werden. Die Präzision der Felduntersuchung erlaubt z.B. im Marathonlauf eine Prognose der Laufleistung von ±3 min. Entsprechende Angaben sind im Triathlon/Rad möglich, wenn nicht im Windschatten gefahren wird (vgl. Labordiagnostik).
FitnessPro Software
In mehrjährigen vergleichenden Untersuchungen wurden verschiedene Cardiogeräte in Bezug auf die Laktat-Leistungs-Herzfrequenz-Beziehung validiert und die Ergebnisse in Form einer einfach zu bedienenden Software für den Fitness-/Rehabereich entwickelt. Das Auswertungsergebnis erlaubt ein individuelles Fettstoffwechseltraining mit der laktatgeeichten Herzfrequenz für alle Cardiogeräte inkl. Spinning und Fatburner.
Siehe auch: FitnessPro Software
Genetische Disposition (Muskelfaserzusammensetzung)
Sportler in Ausdauerdisziplinen besitzen einen höheren Anteil an ST-Muskelfasern, (slow-twitch = langsam zuckende aber ausdauernde Muskelfasern), während Kurzleister (Sprinter) umgekehrt eine Dominanz der FT-Muskelfasern, (fast-twitch = schnell zuckende Fasern mit hoher Leistung/Zeiteinheit, aber wenig ausdauernd) aufweisen. Die Extreme müssen bei der Beurteilung des Laktatverhaltens aus theoretischer Sicht und der sportpraktischen Umsetzung berücksichtigt werden. (Baldwin und Tipton 1972, Karlsson 1979, Tesch und Karlsson 1984)
Herzfrequenz (HF)
In Abhängigkeit vom Energiebedarf im Arbeitsmuskel (Initiator) wird bei körperlicher Anstrengung über eine HF-Steigerung mehr Sauerstoff (= Energie) zum Muskel transportiert, so dass fortgesetzte Kontraktionen möglich sind.
Herzfrequenz beeinflussende Faktoren
Die HF wird in ihrer Höhe neben der belastungsbedingten Beschleunigung durch eine Vielzahl von internen und externen Faktoren beeinflusst.
  • Interne Faktoren: Lebensalter, Geschlecht, Genetik, Trainingszustand, Allgemeine Verfassung, etc.
  • Externe Faktoren: Klima, Temperatur, Arbeitsintensität, Belastungsdauer, Körperposition, Psyche, etc.
Herzfrequenz-Leistungstests
Testverfahren (z.B. PWC, Conconi-Test/Varianten etc. oder 180/200 minus Lebensalter), die nur die HF der Lauf oder Radgeschwindigkeit zuordnen und Angaben zur Trainingsintensität machen wollen, sind ungenau, bzw. nichtwissenschaftlich, weil sie die aerob-anaerobe Schwelle, bzw. aerobe Stoffwechselbereiche und ihre Differenzierung nicht angeben können (vgl. Heck, H. et al.: Bestimmbarkeit, Objektivität und Validität der Conconi-Schwelle auf dem Fahrradergometer Dtsch. Z. Sportmed. 40, 1989)
Herzfrequenz, maximale
In letzter Zeit wird versucht, über die Ermittlung der maximalen Herzfrequenz Aussagen für ein Ausdauertraining im submaximalen Bereich zu gewinnen. Dies ist aus verschiedenen Gründen nicht möglich:
  1. Das Erreichen eines maximalen Wertes ist von der Motivation abhängig. Wenn dem zu untersuchenden Sportler z.B. 1000,- für eine möglichst hohe Ausbelastung versprochen werden, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit eine höhere Herzfrequenz erzielen als es ohne diesen Anreiz der Fall wäre. Testverfahren, die somit von der Einstellung des zu Untersuchenden abhängen, sind somit nicht objektiv, unwissenschaftlich und unbrauchbar.
  2. Um die maximale Herzfrequenz zu erzielen ist eine ganz bestimmte Belastungsart und -dauer notwendig.
  3. Selbst wenn in einem solchen Verfahren die max HF ermittelt wird, ist das Herunterrechnen auf Prozentanteile, in denen ein Ausdauertraining stattfinden soll, aus den o.a. Gründen ungenau. Hinzu kommt noch, dass individuell sehr unterschiedliche HF-Zunahmen von 5-25 Schlägen/Min. innerhalb einer geringen Belastungszunahme von z.B. 50 auf 75 Watt im rein aeroben Bereich einer Stufentestbelastung bestehen können.
  4. Maximale Testverfahren sind unter den o.a. Aspekten grundsätzlich und zusätzlich in Hinblick auf psychischen und orthopädischen Stress, besonders beim älteren Menschen, abzulehnen.
Herzfrequenz-Formeln
(egal welche) zur Berechnung einer Trainingsherzfrequenz, z.B. für die Durchführung eines Fettstoffwechseltrainings sind ungenau. Da der Energiebedarf der entscheidende Faktor für die Pulsfrequenzeinstellung ist, muss die Trainingsherzfrequenz systematisch auf den Stoffwechsel, d.h. mit der Laktatkonzentration „kalibriert“ werden.
Herzfrequenz-Trainingssteuerung
Im Gegensatz zu Angaben in der Werbung von Herstellern der HF-Messsysteme lässt sich mit keiner Formel, welche nur die HF berücksichtigt, ein genaues Ausdauertraining auf Grund der o.a. Variablen steuern. Wesentlich stabiler erweist sich die Laktat-Leistungs-Beziehung.
Individuelle aerob-anaerobe Schwelle (Vgl. Übersicht in Heck, 1990)
Derzeit existieren über 16 Verfahren, die versuchen, das individuelle maximale Laktat-steady-state zu ermitteln. Aufgrund der unterschiedlichen Belastungsmethodik und der unterschiedlichen mathematischen Verfahren (die den komplexen physiologischen Verhältnissen nicht gerecht werden können) kommen alle Verfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen, so dass nur die Schlussfolgerung gezogen werden kann: Sie stimmen alle nicht.
Kohlenhydrate (KOH, Glykogen)
Begrenzt vor allem im Muskel (Leber) vorhandene Energie, die je nach Dauer und Umfang der Trainings- oder Wettkampfbelastung bei zunehmender Entleerung zur Ermüdung mit reduzierter muskulärer Leistung führt. Wird zum Beispiel im Marathonlauf eine zu hohe Anfangsgeschwindigkeit gewählt, kommt es bereits nach 25-35 km zu einem deutlichen Verlust an KOH, so das nur noch geringe Laufgeschwindigkeiten unter zunehmender Verwendung der freien Fettsäuren (zu deren Oxidation eine höhere Sauerstoffaufnahme benötigt wird) möglich sind. Ähnliche Probleme resultieren beim Radsport (Hungerast), wenn zu wenig, zu spät oder überhaupt keine KOH in fester oder flüssiger Form im Training oder Wettkampf konsumiert werden.
Auch im Fußball kommt es bei hohen läuferischen Anforderungen besonders bei Spielern mit niedriger Ausdauer zur Kohlenhydratverarmung mit deutlich reduzierten Lauf- und Kraftleistungen, so dass dem Trainer oft nur die vorzeitige Auswechslung übrig bleibt.
Labordiagnostik, aerobe
Die Labordiagnostik bietet auf dem ersten Blick ideale Untersuchungsbedingungen. Hierfür sorgen identische Belastungsgeräte und die Möglichkeit, konstante klimatische Bedingungen zu schaffen. Wenn der Untersucher immer die gleiche Belastungsmethodik wählt, können gut die Testergebnisse im Längsschnitt verglichen werden. Sollen die Ergebnisse jedoch für eine Trainingssteuerung verwendet werden, führen die üblichen kurzen Belastungsverfahren: 3-5 minütige Stufendauer, 0,5 m/s (2,0 km/h = 0,55 m/s) Abstufung, konstante 1-prozentige Laufbandsteigerung zu einer Summation von Faktoren (z.B. die zeitabhängige Laktatakkumulation), die besonders bei gut trainierten Sportlern gegenüber einer Felduntersuchung mit 2000-m-Streckenabschnitten zu einer um 0,3-0,5 m/s höheren Schwellengeschwindigkeit führen. Weder die Laufgeschwindigkeit noch die HF kann in solchen Verfahren dem Laktatverhalten mit dem Ziel der Trainingssteuerung zugeordnet werden, wenn nicht die Differenzen aus vergleichenden Untersuchungen (biologische Eichung) bekannt sind.
(Föhrenbach 1986, Heck, Studienbrief 1991, Vassiliadis 1999 u.a.)
Laktat
Ist das saure Endprodukt des anaeroben Stoffwechsels. Das am häufigsten angewandte analytisch chem. Verfahren ist die Umwandlung von Laktat in Pyruvat über die Bildung von NADH 2. Mit steigender Belastung, z.B. im Stufentest nimmt die Laktatbildung und -elimination (= Beseitigung) zu. Früher oder später wird eine Belastungsintensität erzielt, bei der die Bildung gerade noch der Elimination entspricht (maximales Laktat-steady-state). Es wird auch in Ruhe immer Laktat gebildet und eliminiert. Der Ruhewert kann (auch ernährungsbedingt) zwischen 0.8 - 2 mmol/l betragen und liefert keine Aussagen für das Laktatverhalten unter Belastung. Bei höherer O2-Aufnahme auf den ersten submaximalen Belastungsstufen wird Laktat verstärkt oxidiert/eliminiert (Belcastro und Bonen 1975), so dass hier sehr oft niedrigere Werte als in Ruhe gefunden werden (Föhrenbach, 1976). Es ist deshalb falsch und unphysiologisch den Ruhewert von den Belastungswerten zu subtrahieren.
Siehe auch: „Was ist Laktat?“
Sauerstoffaufnahme (VO2 max: maximale Sauerstoffaufnahme)
Bruttokriterium der aeroben Leistungsfähigkeit und bis Mitte der 70-iger Jahre die am häufigsten untersuchte Größe in der Sportmedizin. Die Grenze der VO2 max. hinsichtlich ihrer Aussagekraft zur Beurteilung der Ausdauerleistungsfähigkeit unter dem Aspekt der Leistungsprognose und als Parameter zu Trainingssteuerung wurde zunehmend erkannt (Saltin und Astrand 1976, Hollmann und Liesen 1973, Mader et. al. 1976, Sheperd 1984) Während sich die in internationalen Veröffentlichungen mitgeteilten max. Sauerstoffaufnahmewerte bei Spitzenathleten verschiedener Ausdauerdisziplinen nicht mehr unterschieden, ließen sich bei gering oder nicht differenter VO2 max. weitere trainingsbedingte Unterschiede im Bereich des Muskelstoffwechsels (Laktatverhalten, Enzyme) nachweisen (Hultmann 1967, Hollmann und Liesen 1973, Henriksson 1977, Hollmann et.al. 1984 u.a.). Unter diesem Aspekt kommt der Laktatdiagnostik die höhere Bedeutung in der Sportmedizin zu, besonders unter Berücksichtigung der großen Messfehlermöglichkeit, der Leistungsbeeinträchtigung des mit Atemmaske versehenen Läufers (Heck 1990) sowie der o.a. Punkte.
Stoffwechseloptimierte Lauf-, Rad- oder Schwimmgeschwindigkeit
Verschiedene Trainingsmethoden und -geschwindigkeiten mit ihrer speziellen Zielstellung (z.B. Entwicklung der Grundlagenausdauer oder der wettkampfspezifischen Ausdauer) werden definierten Laktatkonzentrationen mit bekannter Trainingswirkung aus Ergebnissen von Felduntersuchungen zugeordnet.
Trainingssoftware
Vom Autor wurden für die Auswertung der verschiedenen Belastungsverfahren im Laufen, Radfahren und Schwimmen entsprechende Verarbeitungsprogramme entwickelt (FitnessPro Software). Je nach Disziplinzugehörigkeit (Fußball, Mittel- und Langsteckenlauf, Triathlon) und in Abhängigkeit von der Trainingsmethodik, werden konkrete Trainingsgeschwindigkeiten und -herzfrequenzen zur allgemeinen und speziellen Ausdauerentwicklung vorgeschlagen.
Untersuchungsverfahren (objektive)
Bei submaximaler, stufenförmig ansteigender Belastung (0,25-0,35 m/s - Abstufung mit möglichst langer Stufendauer > 5-10 min.) unter Einbezug der Laktat- und Herzfrequenzregistrierung und unter sportartspezifischen Bedingungen werden die zuverlässigsten Ergebnisse sowohl für Fragestellungen zur Leistungsdiagnostik (z.B. im Jahres/Mehrjahresvergleich) als auch für die laktatoptimierte Trainingssteuerung erhoben.
Wissenschaftliche Gütekriterien
  1. Objektivität: Verschiedene Untersucher kommen zu dem gleichen Testergebnis, welches unabhängig von subjektiven Einflüssen des Untersuchers ist.
  2. Validität: Die Genauigkeit, mit der ein Test dasjenige Merkmal misst, das er messen soll.
  3. Reliabilität: Grad an Genauigkeit, mit der ein Erhebungsinstrument ein Merkmal misst.

Literatur

Siehe unsere Publikationen.