Optimales Belastungs­protokoll beim Laktat­stufentest

Märchen aus der Sportmedizin

Prof. Dr. Röcker, Kai: Standards der Sportmedizin „Die sportmedizinische Laktatdiagnostik: Technische Rahmenbedingungen und Einsatzbereiche“ Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin Jahrgang 64, Nr. 12 (2013) 367-371.

Röcker empfiehlt (Text und Tabelle 1) in seinem Artikel im Abschnitt: Praktische Implikationen der Laktatkinetik für die Auswahl des optimalen Belastungsprotokolls (Laufen):

  • eine Stufendauer von 3 min und eine
  • Belastungs­anstiegs­geschwindigkeit von 2 km/h (0,55 m/s) im Mehrstufen­test­protokoll,

weil diese am häufigsten verwandt wird.

Institut für Sportdiagnostik: Zu diesem Methodikvorschlag erlaube ich mir als Gründer der aeroben Laktatdiagnostik im Freien (Köln, 1978) folgende Bemerkungen:

  1. Eine kurze Belastungsstufendauer von 2-4 min führt zu einer scheinbar höheren „Schwellenleistung“ als ein doppelt oder dreimal solange Stufenbelastungsdauer. Die Begründung liegt in der integrativen Größe des Laktats: D.h. dass es ab dem Zeitpunkt, ab dem es gebildet wird, in Abhängigkeit von der Zeitdauer und der Intensität zu einer mehr oder weniger starken Laktatakkumulation kommt (Zunahme der Laktatbildungsrate/Glykolyse).

  2. Eine große Belastungsabstufung von 0,55 m/s beeinflusst zusätzlich die Höhe der anaeroben Schwelle signifikant zu „besseren/höheren“ Schwellenwerten als eine kleine Abstufung von 0,2-0,3 m/s. Diese wesentlichen methodischen Einflüsse auf das Laktatverhalten wurden umfassend in Heck et al.: Justification of the 4-mmol/l Lactate threshold, Int. J. Sports Med. 6 (1985) 117-130 untersucht und beschrieben.

Wenn es nur um die rein diagnostische Frage geht, ob sich ein Sportler in einer vergleichenden Untersuchung verbessert oder verschlechtert hat, spielt die Methodik keine Rolle. Möchte der Diagnostiker, Sportler oder Trainer jedoch wissen, bei welchen Laktatkonzentrationen/Trainingsmethoden und ihren Laufgeschwindigkeiten/HF trainiert werden soll, empfiehlt es sich jedoch solche Belastungsverfahren zu wählen, bei der der Test z.B. > 35-45 min, also eben so lang wie eine mittlere Trainingseinheit, dauert. Andernfalls kommt es zu einer völligen Fehleinschätzung des Testresultats für die Trainingsumsetzung.

Zur Veranschaulichung möchte ich zwei Tests eines Fußballspielers im Freien (gelbe Symbole) und fünf Tage später auf dem Laufband (rote Symbole) darstellen:

Vergleich Feldstufentest/Labortest
Laktat-Laufgeschwindigkeits-Kurven von einem Fußballspieler im üblichen Micky-Mouse-Laborstufentestverfahren mit kurzer 3-minütiger Stufenbelastungszeit (rote Symbole: Anaerobe Schwelle: 4,0 m/s) und dreimal so langer Belastungszeit im Feldstufentest (gelbe Symbole: Anaerobe Schwelle: 3,73 m/s, siehe Text)

Der Spieler wurde zunächst von mir im Feldstufentest in vier Stufen (8-9 min/Stufe) in 3,03 m/s, 3,33 m/s, 3,7 m/s und 4,0 m/s abschließend belastet – Stufenbelastungsdauer: 8-9 min (Gesamtbelastung: 34:08 min). Die anaerobe Schwelle (V4) betrug 3,73 m/s.

Auf dem Laufband wurde er mit neun 3-minütigen Stufen und einer 0,25 m/s-Abstufung untersucht. Die V4 betrug 4,0 m/s – also um 0,27 m/s höher.

Beurteilung

Obwohl im Labortest eine feinere Belastungsdauer als die sonst üblichen 0,55 m/s (2,0 km/h) verwandt wurde, führt die dreimal so lange Belastungsdauer im Feldtest im Bereich einer deutlichen Laktatproduktion ab 3,5-3,7 m/s zu einem völlig anderen Ergebnis. Trainingshinweise, die aus einer solchen Labor-Micky-Maus-Untersuchung erfolgen, sind zwangsläufig falsch: Während in der Laufbanduntersuchung 2 mmol/l Laktat üblicherweise für ein Grundlagenausdauertraining herangezogen werden, entspricht dies in der Felduntersuchung schon der anaeroben Schwelle, bei der eben insbesondere bei zunehmender V4- und hoher Gesamtstoffwechselleistung kein aerob wirksames Training als Dauerbelastung möglich ist.

Darüber hinaus macht es keinen Sinn, einen Fußballspieler mit bekannt mittlerer Leistungsfähigkeit (V4 >3,5 m/s) anfänglich gehend zu belasten – die ersten drei Stufen sind also sinnlos, da hier nur Laktat eliminiert wird.

Nachdem ich vor fast 40 Jahren wegen dieser und anderer Gründe, die einer laktatoptimierten Trainingssteuerung widersprachen, die Felduntersuchungen gründete, ist es frustrierend, dass die Deutsche Sportmedizin in den OSP und Instituten offensichtlich hier nichts dazugelernt hat.

Auch aus ökonomischen Gesichtspunkten ist eine Felduntersuchung neben den präziseren Aussagen zu bevorzugen, da ein Untersucher mindestens vier Personen zeitgleich testen kann.